In der Osterzeit zeigt sich Kreta von einer besonders beeindruckenden Seite.
Hier sind uralte Traditionen nach wie vor quicklebendig.
Das christlich-orthodoxe Osterfest ('Pás-cha') ist in ganz Griechenland eine der wichtigsten Traditionen und das größte Ereignis des Jahres,
viel größer als Weihnachten und Neujahr zusammen.
Die Griechen empfinden an den Osterfeiertagen traditionell das Leiden Christi nach und feiern anschließend mit einem rauschenden Fest seine Auferstehung.
'Kein Mensch soll an Ostern allein sein', so lautet ein weitverbreitetes Sprichwort. Dass die ohnehin für ihre Gastfreundschaft bekannten Kreter dieses Sprichwort sehr ernst nehmen, spürt man an jeder Ecke und in jeder Familie. Wenn die kretische Großfamilie feiert, sind auch unangemeldete Gäste immer willkommen.
Die orthodoxe Kirche richtet sich nach dem julianischen Kalender. Deshalb weicht das griechische Osterfest in den meisten Jahren terminlich von den Osterfeiertagen in Deutschland ab. Es kann am gleichen Tag, aber auch bis zu 5 Wochen später stattfinden.
Dieses Jahr wird der griechische Ostersonntag am 16. April 2023 gefeiert, also nur eine Woche später. Aber nun tauchen wir ein, in eine faszinierende Tradition,
bei der auch die jungen Leute begeistert mitmachen.
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Der Beginn der Osterzeit - Die große Woche
Genau genommen beginnt die Osterzeit in Griechenland vierzig Tage vor dem eigentlichen Osterfest. In diesen vierzig Tagen fasten die Gläubigen unter den Griechen
und verzichten auf Fleisch, das in dieser Zeit auf dem Speiseplan
durch Meeresfrüchte und viel frischem Gemüse ersetzt wird.
Am Palmsonntag beginnt die 'Megáli Evdomáda', die Große Woche, in der dem Leiden Jesus gedacht wird, der sein Blut für die Menschheit geopfert hat. Ab jetzt läuten an jedem Abend die Kirchenglocken und rufen zum Gottesdienst. Das Interesse ist groß und die Gläubigen verfolgen interessiert die Psalmen über das Leben von Jesus Christus, die nun verlesen werden.
Der Gottesdienst findet ausschließlich in Altgriechisch statt, was es schwierig macht,
den Inhalt zu verstehen, wenn man dieser Sprache nicht mächtig ist.
Aber auch außerhalb des Gottesdienstes haben die Kreter nun alle Hände voll zu tun,
denn das größte Fest des Jahres erfordert umfangreiche Vorbereitungen.
Viele auf dem Festland und im Ausland lebende Griechen machen sich in dieser Woche auf den Weg in die Heimat, um das Osterfest zusammen mit ihren Lieben zu verbringen.
Flugzeuge und Fährschiffe sind dann bis auf den letzten Platz ausgebucht.
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Der Große Dienstag - Ostern will gut vorbereitet sein
Am Großen Dienstag (Μεγαλη Τρητη) widmen sich die kretischen Frauen dem traditionellen Backen des Osterbrotes und des köstlichen Ostergebäcks. Seit Generationen ist es vielerorts üblich, dass das Gebäck zu Hause vorbereitet und später im Ofen der örtlichen Bäckerei gebacken wird.
Die Kirchen und Kapellen der Insel werden geputzt und dekoriert. Dabei legt man großen Wert auf Details. Auch Palmenblätter werden mit kleinen Holzkreuzen aufwendig geschmückt,
welche von den Schulkindern hergestellt werden.
In den Wohnhäusern findet ein regelrechter Frühjahrsputz statt und vor den Haustüren wird emsig gefegt. Nicht fehlen darf dabei ein Besuch der Gräber der
verstorbenen Familienangehörigen, die bei der Gelegenheit auch gleich verschönt werden.
Zusätzlich zum Fleischverzicht dürfen nun auch keine milch- oder ölhaltigen Produkte mehr verzehrt werden. Selbst Olivenöl ist jetzt verboten! Allerdings verliert in den vergangenen Jahrzehnten und mit der zunehmenden Modernisierung Kretas, auch die vierzigtägige Fastenzeit immer mehr an Bedeutung. Überwiegend sind es die in den ländlichen Gegenden lebenden Frauen, die die lange Fastenzeit ohne Wenn und Aber vollziehen. Viele Kreter und allen voran die jüngeren Generationen steigen meist erst in dieser letzten Woche in das Fasten ein.
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Gründonnerstag - Tag des Eierfärbens und des Gedenkens
Am Gründonnerstag (Μεγαλη Πεμπτη) findet überall das traditionelle Einfärben der Eier statt. Anders als in Deutschland, wo der Kreativität beim Dekorieren der Ostereier keine Grenzen gesetzt sind, beschränkt man sich in Griechenland auf die Farbe rot. Am darauffolgenden Karfreitag wurde Jesus Christus dazumal ans Kreuz geschlagen.
Die rote Farbe symbolisiert das Blut von Jesus und das Ei steht für den Beginn des Lebens.
Am Abend beginnt der Priester bei einem mehr als vierstündigen Gottesdienst mit der Lesung der zwölf Evangelien, in denen das Leiden Christi beschrieben wird. Nach dem sechsten Evangelium erlöschen alle Lichter und in der Dunkelheit wird ein Kreuz durch die Kirche getragen.
Besucher erleben diesen Vorgang oft als besonders fesselnd.
Die Menschen gedenken der Ölsalbung Christi kurz vor seiner Kreuzigung. Es ist eine sehr ergreifende und spürbar emotionale Atmosphäre, die den Raum erfüllt. Mit feuchten Augen bekunden die Gläubigen ihre Trauer und legen Blumen und Kränze vor das in der Mitte der Kirche errichtete Kreuz. Dann folgt das Vortragen der letzten sechs Evangelien.
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Karfreitag - Die Prozession zieht durch die Straßen
Am Morgen des Karfreitags (Μεγαλη Παρασκευη) nimmt der Pfarrer symbolisch die Christusfigur vom Kreuz. Eingehüllt in ein Laken und auf einem hölzernen Schrein liegend,
wird "Jesus" von mehreren Frauen mit Blüten reich verziert.
Am Abend tragen die Menschen das so genannte Epitaphios,
ein Tuch mit der Abbildung Christi, in einem Kerzenzug durch die Straßen.
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Großer Samstag - die Auferstehung Jesu
Die 'Megáli Evdomáda' endet in der Nacht von Samstag (Μεγαλο Σαββαβο) auf Sonntag mit der Auferstehungsfeier. Wenn die Zeremonie um 23 Uhr beginnt, machen sich die Menschen auf den Weg zur Kirche. Weil tatsächlich nur ein Bruchteil der Anwesenden in die Kirche passt,
sammelt sich auf dem Kirchenvorplatz eine große Menschenmenge.
Mit Lautsprechern werden die Geschehnisse und Gesänge aus dem Kirchengebäude
nach draußen übertragen und alle lauschen gebannt.
Das heilige Licht wird in einem Sonderflug mit Aegean Airlines von Jerusalem nach Athen geflogen. Von dort wird es mit Flugzeugen zu weiteren acht Hauptdestinationen in Griechenland gebracht. Danach geht es mit kleineren Flugzeugen zu den Inseln
und weiter mit Taxis zu den jeweiligen Kirchen.
Auch bei uns warten nun alle Anwesenden mit geschmückten Kerzen in den Händen,
gespannt auf die Ankunft des Taxis, welches das heilige Licht bringt.
Der Gottesdienst erreicht dann durch den Ausruf des Priesters 'Christos Anesti' was so viel bedeutet wie 'Christus ist auferstanden', seinen krönenden Höhepunkt.
Dabei tritt er mit dem heiligen Osterlicht aus der Kirche heraus. Die Menge erwidert den Ausruf mit den Worten 'Alithós Anesti!' – 'Er ist wahrhaftig auferstanden!'
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Das heilige Licht wird von Kerze zu Kerze, von Familie zu Familie, weitergegeben
und der Kirchplatz verwandelt sich in ein wunderschönes Lichtermeer.
Als Zeichen der Versöhnung tauschen die Menschen Küsse aus.
Auf der Straße wünscht man sich gegenseitig 'Christos Anesti' und 'Chronia Polla', selbst wenn man sich gar nicht kennt. Auch in den folgenden Tagen kann man
diese Worte auf den Straßen Kretas immer wieder hören.
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Nach der Messe wird oberhalb des Kirchplatzes eine riesige Puppe verbrannt,
die den Judas verkörpert. Sie ist mit Stroh und alter Kleidung gefüllt,
die die Kinder zuvor gesammelt haben.
Auch das Feuerholz für das Osterfeuer sammeln die kretischen Kinder während der Fastenzeit. Feuerwerkskörper steigen auf. Man kann fast den Eindruck gewinnen, dass
die Kreter gerade einen verspäteten Jahreswechsel vollziehen. Auch die Feuerwehr ist im Einsatz, denn es kam schon ein paarmal vor, daß das Feuer nicht nur den Judas verbrannte, sondern auch die
Umgebung in Mitleidenschaft gezogen wurde.
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Danach gehen die Familien nach Hause zum Osterschmaus.
Vor dem Betreten des Hauses, wird mit dem Ruß des heiligen Kerzenlichtes
ein Kreuz and den Türstock gezeichnet.
Die Stimmung ist ausgelassen und die Menschen sitzen an diesem Samstagabend bis in die Morgenstunden mit ihren Familien zusammen, um ihre selbst gebackenen Osterleckereien zu genießen und den bevorstehenenden Ostersonntag zu planen.
Beim mitternächtlichen Essen dürfen natürlich das traditionelle Osterbrot (Tsuréki) und das griechische Ostergebäck (Kulurákia) nicht fehlen. Auf dem Tisch
stehen auch die roten Ostereier und es gibt Lamminnereien-Eiersuppe, die 'Magiritsa'.
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Zu später Stunde werden die rotgefärbten Eier gegeneinander geschlagen und wessen
Ei ganz bleibt und nicht beschädigt wird, hat Glück für das ganze kommende Jahr.
Der genaue Ablauf der Osterzeremonie ist von Kirche zu Kirche etwas unterschiedlich.
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Ostersonntag - der Tag des Osterschmauses
Am Ostersonntag kommen die Familien bereits am frühen Morgen gut gelaunt und voller Vorfreude auf das bevorstehende gemeinsame Mahl zusammen. Auf dem Grill wird schon morgens um 6 Uhr eine kräftige Glut entfacht, auf der das Osterlamm oder -zicklein am Spieß gute sechs bis acht Stunden gegart wird. Dabei wird es immer wieder mit frischem Olivenöl eingepinselt mit dem ein Thymianzweig getränkt wurde.
Während der gesamten Gartzeit muss der Spieß ständig gedreht werden, damit das Lamm von allen Seiten schön gleichmäßig röstet.
Dabei wechseln sich die zahlreichen Familienmitglieder ab.
Manche pfiffige Familien haben sich speziell hierfür einen kleinen Motor gebastelt,
der von einer Autobatterie gespeist wird.
Kleinere Familien leihen sich einen großen Bräter aus der lokalen Bäckerei und füllen ihn mit gut gewürztem Lammfleisch, das auf frischen Thymianzweigen gebettet ist
und mit Olivenöl eingerieben wurde.
Das Gericht wird dann in der Bäckerei stundenlang auf kleiner Temperatur gegart
und kann Mittags, gegen eine kleine Bezahlung, wieder abgeholt werden.
🥖
Aus gegebenem Anlass wird auch schon die erste Flasche Wein geöffnet.
Üblicherweise beginnt das Ostermahl am Nachmittag.
Die Hauptspeise, das gegrillte Lamm,
wird mit hausgemachten Salaten und Kartoffeln als Beilage serviert.
Neben dem Osterlamm gibt es auch andere Grillspezialitäten.
Eine typische, wenn auch äußerst spezifische Leckerei, ist das 'Kokoretsi'. Es wird aus dem Darm und den Innereien vom Lamm zubereitet. Eine reine
Geschmackssache.
Für jeden Gast, auch wenn er später dazu stößt, wird von der Vorspeise und dem Hauptgang bis zum Dessert, alles von vorne aufgetischt.
Vorzeitige Verabschiedungen werden nur widerwillig geduldet und umso später der Abend,
desto großzügiger fließt der Raki.
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Bis in die Nacht wird gegessen, getrunken, laut kommuniziert und gestikuliert, ausgelassen gefeiert und getanzt. Es herrscht Volksfeststimmung
und die Tische sind immer reichlich mit Speisen gedeckt.
Die Feier neigt sich oft erst in den frühen Morgenstunden dem Ende zu.
Zum Glück ist der Ostermontag in Griechenland auch ein Feiertag...😅
Das ist einfach Lebensfreude PUR!